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Titelbild: Die Markeninflation (Symbol sinkendes Schiff)
Letzte Aktualisierung: 21.11.2024

Die Markeninflation

Markenzerfall: hat die Marke noch eine Zukunft?

In vielen Bereichen bröckelt das Ansehen und die Relevanz der Marke. Supermärkte verdrängen zunehmend die Handelsmarken mit Eigenmarken, während gleichzeitig in renommierten Warentests den Eigenmarken hervorragende Noten erteilt werden. Auf globalen Handelsplattformen werden Produkte angepriesen, die genauso aussehen, wie die bekannter Marken aber nur ein Zehntel kosten. In völliger Hysterie bieten Weltmarken mittlerweile so viel unterschiedliche Produkte an, dass man gar nicht mehr weiß, wofür sie eigentlich stehen. Der Markenzerfall ist im vollen Gange. Wie steht es um den Wert einer Marke und hat die gute alte Marke noch eine Zukfunft?
Screenshot der TV-Werbung von Nespresso mit George Clooney
Der coolste Kaffe-Onkel aller Zeiten – Nespresso, what else?

Persil. Da weiß man, was man hat.

Wer sich an diesen Spruch noch erinnern kann, bzw. wem er gar für alle Zeiten im Gehirn eingebrannt ist, der hat schon ein paar Jahre auf den Buckel. Der möglicherweise erfolgreichste Slogan der Marke Persil aus dem Hause Henkel wurde 19731 eingeführt und hielt sich bis 1986 und damit ganze 13 Jahre. Für heutige Verhältnisse ein unglaublich langer Zeitraum. Natürlich gibt es Slogans, die noch länger durchgehalten haben oder gar bis heute noch eingesetzt werden wie: „Vorsprung durch Technik“ – Audi, „Nichts ist unmöglich“ – Toyota oder natürlich Deutschlands wahrscheinlich bekanntester Slogan „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“ – Haribo. Aber alle diese Slogans haben eins gemeinsam: Sie stammen aus einer Zeit, als die Marke noch das Maß der Dinge war.

Ob es heutzutage noch einmal ein Slogan schaffen kann, sich so nachhaltig in den Köpfen der Konsumenten einzubrennen, ist fraglich und ob es heute noch möglich ist, so viel Vertrauen in eine Marke aufzubauen, wie es der biedere Schlipsträger von Persil vermochte, ebenso.

 

Standbild aus alter Fernsehwerbung: Persil, da weiß man, was man hat.
Screenshot aus alter TV-Werbung der 80er

Anmerkung zu den o.g. Marken-Slogans

  • Haribo: aktueller Slogan: Haribo macht alle froh, seit 100 Jahren ist das so.
  • Audi: aktueller Slogan: Future is an attitude. (Der Marken-Claim ist jedoch weiterhin: Fortschritt durch Technik. Falls Sie nun irritiert sind und sich fragen, was der Unterschied zwischen Claim und Slogan ist – hier werden Sie geholfen: Blog-Artikel)
  • Toyota: aktueller Slogan: Let’s Go Beyond.

Gründe für den Markenzerfall

Was sind die Gründe, warum viele Marken immer mehr von ihrer einstigen Strahlkraft einbüßen?

Eigenmarken der Supermärkte

Die Supermarktketten werden immer riesiger. Der Markt ist auf eine Handvoll Monopolisten geschrumpft. Diese sind nun so groß, dass sie ihre eigenen Marken herstellen können. Das spart Geld, denn die Marken mit ihren hohen Margen gehen leer aus oder bekommen für das markenlose Produkt (oftmals verbirgt sich hinter dem No-Name Produkt dasselbe Produkt wie hinter dem Markenprodukt) zumindest sehr viel weniger. Der Konsument freut sich über die günstigen Produkte und verzichtet bei dem Preis auch mal gerne auf ein Markenlogo oder nimmt eine „Pseudomarke“. Zwar sind Supermarktprodukte nur ein kleiner Teil der Markenwelt, doch wenn der Verbraucher immer wieder kommuniziert bekommt, dass eine Eigenmarke in diesem oder jenen Test hervorragend abgeschnitten habe (oftmals befinden sich danach sogar entsprechende Qualitätssiegel auf den Produktverpackungen), dann kann dies für den Konsumenten prägend sein und sich auch auf andere Bereiche ausweiten. Doch selbst, wenn nicht, so ist die Lebensmittelbranche allein schon ein großer Sektor mit enormen Auswirkungen, wenn die Marke sich abschafft oder abgeschafft wird.

Screenshot der Website von Ökotest
Brief & Siegel für No-Name Produkte bzw. Eigenmarken der Handelskonzerne.

Immer kürzere Produktzyklen

Kennen Sie das: Sie haben von einem Markenprodukt 5 Stück und wollen 1 Jahr später ein sechstes? Aber schon 1 Jahr später gibt es das Produkt in dieser Form nicht mehr. Das Produkt wurde offiziell „optimiert“; in Wahrheit ging es dem Hersteller jedoch nur darum, wieder mit „JETZT GANZ NEU!“ werben zu können. Ein zweites Ärgernis ist das Thema „Ersatzteile“ bei komplexeren Produkten. Wurde früher ein Produkt 15 Jahre unverändert hergestellt, so war es keine Herausforderung dafür auch entsprechende Ersatzteile vorzuhalten. Heute ist dasselbe Produkt in derselben Zeit 10 Mal verändert worden und das Vorhalten von entsprechender Menge an Ersatzteilen aus der Mode gekommen. Dieses Ärgernis ist eng verbunden mit dem nächsten Punkt.

Produktqualität

Das Hauptargument für ein Markenprodukt ist von jeher die Qualität. Es ist zwar teurer, aber es hält länger, aber es lässt sich (besser) reparieren, aber es ist hochwertiger verarbeitet usw. Nicht nur aufgrund der o.g. Produktzyklen trifft dies heute oftmals nicht mehr zu, sondern auch weil die meisten Produkte heute nicht mehr reparierbar sind, egal ob Marke oder nicht. Auch an der Qualität von Material und Verarbeitung wird selbst bei Markenprodukten immer weiter gespart, um gegen die markenlosen Billiganbieter ankämpfen zu können. Doch dies ist ein Teufelskreis: je näher sich das Markenprodukt dem Billigprodukt angleicht, um so weniger Argumente gibt es für den Kauf des Markenprodukts.

Markenbeispiel: Miele

Mieleprodukte sind von jeher ein Synonym für Markenqualität. Eine Miele läuft und läuft und läuft (auch wenn dies eigentlich ein alter VW-Slogan ist). Doch wer sich nach 20 Jahren Mieleherd dann endlich mal einen neuen kaufen musste oder einfach wollte, musste feststellen, dass die Backbleche bei neuen Mieleherden genauso dünn und klapprig waren, wie bei der Billigkonkurrenz.
Auch bei den Waschmaschinen hat sich der Anteil an Metallbauteilen, die durch Kunststoff ersetzt wurden dramatisch erhöht. Die Produktion wird immer weiter vom heimischen Gütersloh in Nordrhein-Westfalen nach Polen verlegt werden2. Dort will man demnächst (so Gerüchte) auch von Waschtrommeln aus Metall zu Waschtrommeln aus Kunststoff umstellen.

Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen

Arbeitsbedingungen in fernen Ländern.
Arbeitsbedingungen und Umweltverstöße in fernen Ländern.

Als nächsten Punkt erwarte ich von einer Marke, dass sie wesentlich mehr auf die Umwelt achtet, als die Billigmarken aus China, wo Produkte um jeden Preis ohne Rücksicht auf die Umwelt produziert werden können. Und ich erwarte, dass der höhere Preis auch bei der gesamten Wertschöpfungskette ankommt und schon gar nicht Ausbeutung und Kinderarbeit im Spiel ist. Dumm nur, dass so gut wie jedes große Markenunternehmen heute global arbeitet. Es ist völlig egal, ob Sie ein iPhone oder ein Xiao Mi Smartphone kaufen. Beide haben Sie in einem der Megafabriken in China ihre Produktteile produzieren lassen, unter Bedingungen, die wir hierzulande als Sklaverei betiteln würden und unter Umweltbedingungen, die in unserem Land nicht möglich wären. Zwar haben die Unternehmen die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit erkannt, doch bei den meisten Verkaufsargumenten handelt es sich um Marketing und nicht um wahre Umweltvorteile. Kurz gesagt: gerade die großen Marken glänzen nicht durch stichhaltige Nachhaltigkeitskonzepte und faire Arbeitsbedingungen, obwohl dies einer der wesentlichen Aspekte wäre, zu der ein Markenruf eigentlich verpflichten müsste.

Markenbeispiel Apple

Bereits vor über 10 Jahren warb Apple damit, dass sie bei der Produktion als Vorreiter auf besonders giftige Stoffe verzichten würden. Seitdem ist das Thema gegen den Trend bei Apple immer weiter abgesackt. Auf der Startseite ist zum Thema Nachhaltigkeit nichts zu finden. Zumindest wirbt Apple aktuell damit, dass die Apple Watch ihr erstes CO2-neutrales Produkt sei und man bis 2030 alle Produkte CO2-neutral herstellen wolle3. Gleichzeitig verschweigt Apple, dass sie quasi die Erfinder der vollverklebten Gehäuse von Smartphones, Tablets und sogar Laptops sind und damit von nicht mehr reparierbaren Geräten, die nach dem Willen des Herstellers möglichst innerhalb weniger Jahre auf dem Schrott zu landen haben, damit der kaufkräftige Konsument sich ein neues, vollverklebtes und festverlötetes Apple-Gerät zulegt.

 

Screenshot der Website von Apple, MacBook Air
Edel-Macs von Apple: schick, aber unreparierbares Wegwerprodukt.

 

Geiz ist Geil: Billigimporte aus Asien auf Megaplatformen

Alles greift ineinander und man kann sicherlich nicht an jedem Wandel den „raffgierigen“ Konzernen die Schuld geben. Letztlich entscheiden die Verbraucher, was sie geliefert bekommen. Durch Megaplatformen wie Amazon, Alibaba, eBay & Co. haben wir ständig die Wahl zwischen dem Markenprodukt für 299 € und dem nahezu indentisch aussehenden Chinaprodukt für 49 €. Warum noch das Markenprodukt wählen, wenn es unter genauso schlechten Bedingungen produziert wurde und ebenfalls nicht reparierbar ist?

Screenshot der Website von Temu
Billigware von Temu: lebensgefährliche Elektrotgeräte und Produktplagiate.

Gründe für das Verblassen der Marken:

Marken schaffen sich selber ab

Warum soll ich eine Waschmittelmarke bevorzugen, bzw. für diese mehr bezahlen, wenn Sie sowieso alle zum selben Konzern gehören? Henkel beliefert die Supermärkte mit einem Schwall aus Produkten, die teilweise gegenseitig konkurrieren. Es ist völlig egal, ob Sie Persil, FeWa, Spee oder Weißer Riese kaufen, es landet immer im Geldbeutel von Henkel.

Große Marken stoßen in immer mehr Handelsbereiche hinein. Ihre Marke wird unglaubwürdig und verwässert. Beispiel adidas: früher einfach nur Sportmode, heute Kosmetik, Uhren, Brillen. Eingekaufte Ware, auf die das Logo „geklatscht“ wird.

Screenshot der Website von addidas
addidas stellt zwar keine Uhren her, verkauft sie aber trotzdem.

 

Markenbeispiel EssilorLuxottica: Das Mega-Mega-Unternehmen entstand erst 2018 durch Fusion der Megakonzerne Essilor (fr) und Luxottica (it) (über 24 Mrd. € Umsatz, 2022)4. Zu den Eigenmarken des Unternehmens gehören Alain Mikli, Oakley, Oliver Peoples, Persol und Ray-Ban. Zu den Lizenzmarken gehören Armani, Brooks Brothers, Bulgari, Burberry, Chanel, Club Monaco, Dolce & Gabbana, DKNY, Donna Karan eyewear, Emporio Armani, Michael Kors, Ferragamo, Miu Miu, Polo Ralph Lauren, Prada und Versace. Nun würde es eigentlich Sinn machen, wenn jede der Marken sich einer bestimmten Zielgruppe zuwenden würde. Doch ein Großteil der Brillenmarken verfolgt vielmehr das Ziel, für jeden Geschmack etwas im Sortiment zu haben. Weit über 20 Marken, die alle versuchen, es allen Recht zu machen. Besser kann man Marken nicht weichspülen.

Geiz ist Geil

Onlinekauf über Amazon und eBay verführt immer mehr dazu, ein günstiges No-Name Produkt, welches doch fast genauso aussieht, wie das Markenprodukt, zu kaufen. Während früher Produktpiraterie in China betrieben wurde, vertreiben sie nun einfach No-Name oder Pseudomarken über Welthandelsplattformen wie Amazon, Alibaba und neuerdings Temo und bestechen durch den Preis. Wo und unter welchen Bedingungen die Produkte hergestellt wurden, interessiert dabei niemanden.

Chance für neue Marken?

Abschließend könnte man noch die These aufstellen, dass das Verblassen der Weltmarken neue Chancen für kleine und neue Marken bietet, deren Image noch nicht verbraucht ist und/oder die eine positive Nische auszufüllen vermögen wie bspw. Regionalität, Nachhaltigkeit, Reparierbarkeit, neuartige Materialien oder schlichtweg nichts von alledem und stattdessen gibt es den unschlagbaren Kampfpreis.


Links „die Marken mit dem besten Image“
markenartikel-magazin.de
wiwo.de


Fußnoten:

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