
Makroaufnahmen im Mikrokosmos
Letzte Aktualisierung: 13. Juli 2020
Makrofotografie mit dem Retroadapter
Insekten im Teutoburger Wald
Am Wochenende mache ich gerne mal eine Tour mit dem Mountainbike durch den Teutoburger Wald. Zwar hätte ich lieber einen Berg mit ein paar mehr Höhenmetern, aber dafür jedes Mal das Mountainbike aufs Auto zu spannen und damit durch die Landschaft zu fahren, wäre eine Katastrophe für die Ökobilanz des Mountainbikes. Und hier sind wir auch schon mitten im Thema. Die Natur ist bedroht – das hat wohl mittlerweile jeder mitbekommen. Die Insekten sind laut Aussage diverser Forscher in der winzigen Zeitspanne von nur 30 Jahren auf ein erschreckendes Viertel dezimiert worden.
Für mich ist das eine ausschlaggebende Nachricht, die eigene Aufmerksamkeit mal wieder auf die Insekten zu richten, sie bewusst wahr zu nehmen und gegen zu prüfen, was überhaupt noch zum wahrnehmen übrig geblieben ist. Also habe ich meine ansonsten rein unter dem sportlichen Aspekt betriebenen Fahrradtouren durch den Wald etwas abgewandelt und um einen Rucksack mit Fotokamera erweitert. Und ich habe festgestellt, dass die Kombination aus Radsport und Fotografie eine wunderbare Kombination ist.
Die Makrofotografie eignet sich dabei besonders, um einen Blick in einen Mikrokosmos zu werfen, der uns ohne diese Technik weitestgehend verwehrt bliebe. Erst durch die enorme Vergrößerung wird uns die Komplexität dieser Lebewesen offenbar.
Zu jedem Foto sind darunter die Kameraeinstellungen angegeben. Am Ende dieses Artikels ist genauer Erläutert, mit welchem Equipment die Fotografien umgesetzt wurden. Ein Klick auf ein Bild öffnet eine Diaschau, in der noch weitere Bilder als die im Text vorhanden präsentiert werden.
Equipement:
- Spiegelreflex Kamera
- Analoges Objektiv mit Blendenring
- Retroadapter (Umkehrring)
- Telekonverter
- Zwischenringe
- Externer Blitz mit Diffusor
(techn. Erläuterungen am Ende des Artikels)

Makrofotografie mit dem Retroadapter
Ein Fototag mit Insekten
Die erste Begegnung mit meiner Zielgruppe hatte ich bereits am Frühstückstisch auf dem Balkon. Eine Wespe ließ sich die Reste meines Honigbrötchens schmecken.
[24 mm Objektiv · f4 · 1/160 · ISO 100]
Wenig überraschend: auch in der Natur war die erste Begegnung eine Wespe.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f4 · 1/180 · ISO 400]
AeM INFO: container deaktiviert
Die Honigbiene. [50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f4 · 1/180 · ISO 400]
Lecker! Oder eklig? Die Honigbiene füllt Ihre Pollenkörbchen und verklebt sie mit Nektar.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C + 2x Konverter + externer Blitz · f8 · 1/180 · ISO 400]
Die Hummel. Irritierend, dass sich der massige Puschelkörper mit diesen kleinen Flügeln der Schwerkraft entziehen lässt.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f8 · 1/250 · ISO 800]
Die Fliege, die wie eine Wespe aussehen möchte: die Schwebfliege.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f4 · 1/180 · ISO 400]
Die Streifenwanze (Graphosoma lineatum) – breite Schultern in coolen Streifen.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C + 2x Konverter + externer Blitz · f8 · 1/180 · ISO 400]
Wenn ich richtig recherchiert habe, müsste dies der Bogenförmige Halsbock (Leptura annularis) sein.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f8 · 1/250 · ISO 800]
AeM INFO: container deaktiviert
Der Rotkäfer scheint noch nicht bedroht zu sein, im Teutoburger Wald gibt es ihn in Hülle und Fülle, was auch nicht verwundert, denn seine Lieblingsbeschäftigung scheint die Paarung zu sein.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f5.6 · 1/180 · ISO 400]
Nicht viel schöner als eine Motte, soll aber ein Schmetterling sein: Brauner Waldvogel (Aphantopus hyperantus).
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f5.6 · 1/180 · ISO 400]
Wesentlich imposanter ist da der Kaisermantel (Aegynnis paphia), der wohl größte Edelfalter, der im Teutoburger Wald zu finden ist.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f5.6 · 1/180 · ISO 400]
C-Falter (Polygonia c-album)
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f4 · 1/125 · ISO 400]
AeM INFO: container deaktiviert
Gewöhnliche Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera). Da die Strauchschrecke keine Flügel besitzt und dieses Exemplar obendrein noch einbeinig unterwegs war, ließ es sich überhaupt erst fotografisch einfangen. Das furchteinflößende Horn am Hinterteil dient der Eiablage und identifiziert diese Schrecke somit als Weibchen.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f8 · 1/125 · ISO 1100]
Akrobatischer Marienkäfer [50 mm Objektiv mit Retroadapter an APS-C · f4 · 1/125 · ISO 400]
Dreht man einen etwas größeren Stein um, ergibt sich in vielen Fälle das Bild wild umherlaufender Ameisen, die trotz scheinbarem Chaos in Windeseile ihre Eier in Sicherheit bringen. Als ich den Stein umgedreht hatte, lagen dort noch hunderte Eier. Bis ich trotz großer Hektik die Kamera so weit hatte, waren die Ameisen fast fertig.
[24 mm Objektiv an APS-C · f4.6 · 1/50 · ISO 100]
Wieder daheim eingekehrt war meine Aufmerksamkeit für Insekten geschärft und ich entdeckte unter den Kellerdecken dieses Exemplar: die Zitterspinne war ein besonderer Glücksfall, hatte sie doch gerade ihre Eier in ein Seidenkokon gesponnen und trug diese mit sich herum (und ja, ich weiß, Spinnen sind keine Insekten).
[50 mm Objektiv mit Retroadapter und 2x Converter an APS-C + externer Blitz · f4 · 1/180 · ISO 100]
Der Insektentag endete mit dieser beeindruckenden Winkelspinne, der ich zu später Stunde noch im Geräteschuppen im Garten über den Weg gelaufen war.
[50 mm Objektiv mit Retroadapter und 2x Converter an APS-C + externer Blitz · f4 · 1/180 · ISO 100]
Foto-Equipment
Alle Bilder wurden mit einer Pentax K-70 mit 24 Megapixel geschossen. Als Objektiv diente ein 50 Jahre altes Auto Revuenon 50 mm 1:1.9, welches per Retroadapter an die Kamera angeschlossen wurde. Für die Spinnenfotos kam zusätzlich ein zweifach Telekonverter und ein externer Blitz zum Einsatz.
Alle Tiere wurden ohne Beeinträchtigung in ihrem natürlichen Umfeld fotografiert.
Makrofotografie mit dem Retroadapter
Da das Ziel war, Insekten abzulichten, war mein Fotoequipment für diese Tour ganz und gar auf Makrofotografie getrimmt. Allerdings habe ich in meinem beruflichen Fotoalltag in der Regel nichts mit Makrofotografie zu tun und somit auch kein professionelles Objektiv für diesen Einsatzzweck. Es gibt aber einen wunderbaren Trick, mit dem sich das vorhandene Objektivsortiment in Makroobjektive umwandeln lässt: mit dem Retroadapter.
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Mit Hilfe des Retroadapters (auch Umkehrring genannt) lässt sich ein beliebiges, vorzugsweise analoges Objektiv verkehrt herum vor die Systemkamera montieren. Am besten gelingt dies mit einem Weitwinkelobjektiv bis hin zu einem 50 mm Normalobjektiv, welches sich damit zu einer beeindruckenden Makrolinse umfunktionieren lässt. Dies kann sogar den Abbildungsmaßstab (Vergrößerungsfaktor) eines echtes Makroobjektiv übertreffen. Allerdings entstehen durch die Umkehrung diverse Nachteile:
Da das Objektiv mit dem Retroadater über das Filtergewinde des Objektivs an der Kamera angeschlossen wird, sind sämtliche elektronischen Funktionen des Systems unterbrochen: Kein Autofokus, keine Blenden- oder Verschluss-Steuerung und kein Verwacklungsschutz. Nicht einmal die Schärfereglung funktioniert noch manuell. Vielmehr wird die Scharfstellung dadurch erreicht, dass der Fotograf sich mit der gesamten Kamera dem Objekt annähert, bis dieses im Fokus ist. Blende und Verschlusszeit müssen dementsprechend manuell eingestellt werden. Die Anschlussseite des Objektivs ist, da verkehrt herum montiert, nun auf das Fotoobjekt gerichtet und damit während des Fotografierens schutzlos der Umwelt ausgeliefert. Eine vorhandene Streulichtblende lässt sich auf diese Seite ebenfalls nicht montieren. Stehen einem jedoch Zwischenringe inkl. Bajonettanschluss zur Verfügung, lassen diese sich wunderbar als Blendschutz nutzen (siehe Abb. oben).
Verstärken lässt sich die Makrofunktion des Weiteren noch durch das Hinzufügen von Zwischenringen, die zwischen Kamera und Objektiv gesetzt werden oder einem Telekonverter oder gar einer Kombination aus beidem. Aber auch hierdurch entstehen weitere Nachteile. Der Abbildungsmaßstab wird zwar immer weiter verstärkt, irgendwann ist die Tiefenschärfe jedoch so gering, dass dieser nur noch wenige zehntel bis hundertstel Millimeter groß ist und es nicht mehr möglich ist, ein dreidimensionales Objekt wie ein Insekt zufriedenstellend scharf abzubilden. Der Telekonverter hingegen hat den Nachteil, dass er die Lichtstärke des Objekttivs im Verhältnis zu seinem Vergrößerungsfaktor verringert. Darüber hinaus funktioniert er im Gegensatz zu den Zwischenringen mit einer Linse, welche zu einer Verschlechterung der Abbildungsqualität führt.
Aufgrund all dieser oben genannten Nachteile wird die Makrofotografie mittels Retroadapter von professionellen Makrospezialisten eher belächelt oder gerne auch verspottet. Doch wenngleich auch meine oben gezeigten Adapterergebnisse eher in die Rubrik experimentelle Hobbyfotografie einzuordnen sind, sind mit dieser Technik durchaus Ergebnisse erzielbar, die so manchen Makroprofi in den Schatten stellen.
Als beeindruckendste Fotoarbeiten sei hier abschließend auf den Fotografen Thomas Shahan verwiesen, der in über zehn Jahren diese Technik zur Perfektion getrieben hat und in den Anfängen mit nichts als einer Pentax K-x (die hatte gerade einmal 12 MP und rauschte bereits ab ISO 400) und einem per Retroadapter montierten altem Analogopjektiv fantastische Insektenaufnahmen erstellt hat.
Sympathisches kleines YouTube-Video von Thomas Shahan, der mit einfachsten Mitteln jeden Hightech-Makrofotografen in den Schatten stellt:
Website von Thomas Shahan: LINK
Kira
18. September 2019 10:04Danke für diese tollen Blog. Die Bilder sind wirklich beeindruckend.
KaiM
20. November 2019 18:05Hallo Herr Morre,
vielen Dank für den Einblick in „Ihren Mikrokosmos“. Endlich mal jemand, der nicht nur seine Bilder zeigt, sondern auch erklrt, wie sie entstanden sind!
Ich habe mir nun auch so einen Umkehrring für meine Canon Kamera zugelegt. Leider habe ich das Problem, dass ich nun nicht mehr die Blende steuern kann. Wie ich feststellen konnte, ist die Blende anscheinend immer ganz geschlossen, was in meinem Fall Blende 22 ist. Wie kann ich die Blende verändern? Haben Sie einen Tip?
Vielen Dank! MfG Kai M.
André Morre
21. November 2019 19:28Hallo Kai,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Ihr Problem rührt ziemlich sicher daher, dass Sie ein modernes einfaches Objektiv verwenden, welches keinen manuellen Blendenring hat. Das ist einer der Gründe, warum man für die Fotografie mit dem Umkehrring/Retroadapter idR alte analoge Objektive nutzt. Sie sollten also mal nachschauen, ob sich in Ihrem Objektivsortiment (sofern vorhanden) ein Objektiv mit Blendenring befindet.
Falls das nicht der Fall ist, empfehle ich, sich ein entsprechendes günstiges Objektiv über den Gebrauchtmarkt zu besorgen.
Damit Sie aber trotzdem schon einmal gleich loslegen können habe ich noch einen kleinen Not-Trick für Sie:
1. Schließen Sie Ihr Objektiv normal an der Kamera an und stellen Sie die gewünschte Blende ein.
2. Nehmen Sie das Objektiv ab, ohne die Kamera auszuschalten. (Das Objektiv sollte nun die eingestellte Blende beibehalten)
3. Schalten Sie die Kamera nach Entfernung des Objektivs direkt aus!
4. Montieren Sie den Retroadapter und das Objektiv
Sie können nun mit der eingestellten Blende fotografieren. Allerdings auch NUR mit dieser. Um die Blende zu ändern, müssten Sie den Vorgang wiederholen.
Sie sehen also, es geht zur Not, macht aber nicht viel Spaß, weshalb Sie sich letztlich ein Objektiv mit Blendenring zulegen sollten (obgleich man die Blende bei der Nutzung mit dem Retroadapter sowieso nicht oft ändert).
Ich hoffe, es funktioniert bei Ihnen und wünsche viel Erfolg!
André Morre
21. November 2019 19:37p.s.: der genannte Trick ist marken/modell-abhängig und funktioniert nicht unbedingt immer. Bei manchen Modellen zieht eine Feder die Blende direkt wieder zu, wenn das Objektiv von der Kamera genommen wird. Muss man also einfach ausprobieren… 😉
KaiM
23. November 2019 7:45Es hat funktioniert! Ganz, ganz, ganz vielen Dank!!! 😀
Nina Zegar
23. März 2021 13:07Welche Blende ist für diese Art der Fotografie sinnvoll?
Nutze eine 50mm Festbrennweite mittels Retroadapter
André Morre
23. März 2021 13:21Die Kurzversion: Das Objektiv von der Offenblende um 2 Stufen schließen.
Erläuterung:
Prinzipiell hängt das vom Objektiv ab, nämlich davon bei welchen Brennweiten das Objektiv die besten Abbildungseigenschaften liefert. Die meisten Objektive liefern die beste Qualität, wenn Sie um 2 Stufen abgeblendet werden bis hin zur Blende 8. Da das Abblenden bei der Umkehrfotografie zwar die Tiefenschärfe erhöht, dafür aber das Motiv durch den Sucher abdunkelt, lohnen sich Blenden um die 8 nicht. Die Blende sollte also so weit wie möglich geöffnet sein.
Nina Zegar
23. März 2021 14:49Sorry bringt mir gar nichts.
Nochmal ich fotografiere mit einer 50mm Festbrennweite und einem Regierung.
Welche Blende wäre empfehlenswert.? Oder welcher Bereich?
André Morre
23. März 2021 18:13Ich habe Ihre Frage wohl verstanden und meines Erachtens auch umfangreich darauf geantwortet. Tut mir leid, dass Sie meine Antwort nicht zufriedenstellt.
Harald Gabriel
22. August 2021 13:06Hallo Herr Morre
Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Ich suche eine Berechnungsmethode um den Abbildungsmaßstab in Abhängigkeit von der Brennweite und evt des Objektabstandes bei Verwendung eines Retroadapters zu berechnen. Konkret bei mir jetzt bei einem Canon Objektiv 50 mm 1.8. Vielen Dank vorab für eine Antwort.
André Morre
22. August 2021 17:14Der Abbildungsmaßstab ist von der Sensorgröße der Kamera abhängig. Schauen Sie also zuerst nach, welche Sensorgröße Ihre Kamera hat (bei APS-C bspw. ca. 22,2 x 14,8 mm). Fotografieren Sie ein Maßband/Lineal (am besten mit Stativ) mit dem kleinstmöglichen Abstand und zählen Sie die Millimeter des Querformats.
Haben Sie bspw. 5,5 mm gezählt, so rechnen Sie 22,2 / 5,5 = 4,04. Daraus folgt: Ihr Objektiv hat an der Kamera mit Retroadapter einen Abbildungsmaßstab von 4:1.
Ich hoffe, das hilft Ihnen! 😉