Zwei bedeutende Exemplare der Gutenberg-Bibel aus Mainz sind jetzt vollständig im Internet zugänglich. Das Gutenberg-Museum verkündete Mitte Oktober 2024, dass nach einem aufwendigen Digitalisierungsprozess diese Werke nun im digitalen Archiv „Gutenberg Capture“ der Johannes-Gutenberg-Universität eingesehen werden können.
Der anspruchsvolle Scanvorgang umfasste mehr als 2.000 Seiten, die mit modernster Technik erfasst wurden. Die digitalisierten Bibeln stammen aus der berühmten Erstauflage von 1453/54. Diese wertvollen digitalen Reproduktionen werden nicht nur lokal genutzt, sondern auch überregional geteilt: Sie sollen an das Kulturportal Rheinland-Pfalz, die Nationalbibliothek und „Europeana“, die digitale Plattform für europäisches Kulturerbe, weitergeleitet werden.
Das Museum zielt darauf ab, mit dieser Initiative ein globales Publikum zu erreichen. Interessierte haben nun die Möglichkeit, die kompletten Bände oder einzelne Seiten herunterzuladen. Zudem wurde eine Suchfunktion implementiert, die es erlaubt, den Bibeltext online nach spezifischen Begriffen zu durchforsten.
Gotische Textura in Latein
Für den überwiegenden Teil der Menschheit dürfte sich jedoch mit einem ehrfürchtigen Blick auf ein paar Seiten des dicken Wälzers das Interesse schnell erledigt haben. Denn neben der an sich schon nicht einfach zu lesenden Gotischen Textura, eine der älteren Formen der Gotischen Schrift, ist der Text in Latein verfasst – und selbst, wer diese Sprache beherrscht oder sie sich von einer KI übersetzen lässt, bekommt als Ergebnis immer noch einen schwer verdaulichen Text aus einer scheinbar völlig anderen Welt. Kurz: die Gutenberg-Bibel ist nun für jeden zugänglich, bleibt jedoch etwas für Historiker und andere Spezialisten.
Des Weiteren konnte ich bisher keine Informationen dazu finden, warum viele der digitalisierten Seiten in einem seltsamen Zustand sind wo der untere Teil der Seiten abgeschnitten ist (siehe Beispielseite über diesem Text), obgleich es doch augenscheinlich bessere Exemplare auf der Welt gibt (siehe oberstes Foto).
Johannes Gutenberg: der Erfinder des Buchdrucks
Zwar haben vor ihm schon andere Menschen mit dem Druck von Texten experimentiert, aber zu Gutenbergs zahlreichen Beiträgen zur Buchdruckerkunst gehören neben der Verwendung beweglicher Lettern und eines Handgießinstruments auch die Entwicklung einer besonders praktikablen Legierung aus Zinn, Blei und Antimon und einer ölhaltigen schwarzen Druckfarbe. Zudem entwickelte er die Druckerpresse. Das besondere Verdienst Gutenbergs liegt darin, alle Komponenten zu einem effizienten Produktionsprozess zusammengeführt zu haben, der erstmals die manufakturmäßige Herstellung von Büchern mit identischem Text ermöglichte. 1997 wurde Gutenbergs Buchdruck vom US-Magazin Time zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends gewählt, und 1999 kürte das amerikanische A&E Network den Mainzer zum „Mann des Jahrtausends“.
Eine Rarität unter 49 weltweit erhaltenen Exemplaren
Museumsdirektor Ulf Sölter betonte: „Unsere Mission ist es, Gutenbergs analoges Erbe für kommende Generationen zu bewahren und gleichzeitig innovative Wege zu finden, um das Museum im digitalen Zeitalter erlebbar zu machen.“ Die Digitalisierung dieser Bibeln markiert den Beginn eines neuen, zentralen Aufgabenbereichs für das Museum.
Die beiden Mainzer Exemplare gehören zu einer exklusiven Gruppe von nur 49 weltweit erhaltenen Gutenberg-Bibeln. Die meisten dieser kostbaren Bände sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Bislang konnten selbst die Mainzer Exemplare nur in einem streng gesicherten Tresorraum des Museums besichtigt werden.